Im Gegensatz zu dem, in der Schweiz traditionellen, Diplomstudium in Turnen und Sport, handelt es sich beim Lizentiatsstudiengang um ein Fachstudium.
Im Diplomstudium wird der Vermittlungsaspekt (Methodik, Didaktik) im Studium integriert (Fachstudium und Berufsausbildung in Einem). Im Lizentiatsstudiengang wird der berufsspezifische Ausbildungsteil meist nach Abschluss des Fachstudiums an einer anderen Institution (Sekundarlehramt, Höheres Lehramt und heute Pädagogische Hochschule) absolviert.
Im Rahmen einer generellen Neuorientierung im Bildungswesen und speziell in der Ausbildung von Lehrkräften – durch die Aufhebung der über hundert Jahre alten Tradition der Lehrer-, Lehrerinnen-Seminare – im ausgehenden 20. Jahrhundert, stellte sich die Frage einer Neuorientierung der traditionellen eidgenössischen Diplom-Turn- und Sportlehrerausbildung auch an der Universität Bern. Neben dem allgemeinen Trend zur Reformation der Studiengänge im Sport, muss dabei aber auch dem Aspekt der universitären Integration des Faches Sports Beachtung geschenkt werden.
Zwar waren die Studiengänge zu den Eidgenössischen Turn- und Sportlehrerdiplomen an der Universität Bern immer anerkannt und die Studierenden waren von Anfang an als "normale" Studierende an der Universität Bern immatrikuliert, was nicht an allen schweizerischen Universitäten mit der entsprechenden Ausbildung der Fall war. Aber eine Weiterführung der Studien und eine Promotion in Sport war ausgeschlossen. Zudem war mit der Stellung des ILS (keine fakultäre Anbindung) und dessen personellen Ausgestattung (keine oP) das Promotionsrecht nicht gegeben.
Prof. Dr. Kurt Egger hatte bereits bei seinem Antritt 1983 klargemacht, dass er aus Überzeugung – und nicht nur unter dem äusseren Druck zur Neuorientierung – eine bessere Integration der Sportstudien in die universitären Strukturen vorantreiben wolle. Mit einer Zweiteilung des Studiums (Fachstudium – Berufsausbildung) war zu erwarten, dass zusätzlich zu den am Lehrberuf im Fach Sport interessierten Studierenden sich weitere Interessenten für das Fach Sport (Sportwissenschaft) einschreiben würden. Mit der Lizentiatslösung wurde die Sonderstellung des Faches Sport aufgehoben und das Studium vergleichbar mit allen anderen Ausbildungsgängen im Lehrberuf.
Der Weg zur Realisierung war an der Universität Bern sehr steinig. Das mag einerseits an der nach wie vor nicht vorhandenen Integration des 1987 in das "Institut für Sport und Sportwissenschaft (ISSW)" umbenannten Instituts gelegen haben, aber wohl noch mehr an dem enormen Wachstum der Studierendenzahlen (doppelter Maturitätsjahrgang) und an den durch die Politik verfügten Sparmassnahmen gelegen haben. Daran änderte auch die Beförderung von Prof. Dr. Kurt Egger zum Ordinarius (1990) und von Dr. Ferdinand Firmin zum Titularprofessor (1991) nichts.
Obwohl erste Eingaben bereits kurz nach dem Amtsantritt von Egger erfolgten, wurde das Fach "Sport und Sportwissenschaft" erst 1999 als Lizentiatsnebenfach in den Studiengängen der Phil.-hist. und der Phil.-nat. Fakultät anerkannt, bevor dann ab 2002 der eigenständige Studiengang "Sport- und Sportwissenschaft" starten konnte.
Dieser Studiengang war als Dreifach-Lizentiatsstudiengang konzipiert, mit dem Hauptfach Sport und Sportwissenschaft (150 ECTS-Punkte), einem 1. Nebenfach (90 ECTS) und einem 2. Nebenfach (60 ECTS). Dabei wurde bewusst jedes Nebenfachstudium im entsprechenden Umfang akzeptiert. Für alle anderen Studiengänge wurde weiterhin ein 1. und ein 2. Nebenfach angeboten.
Gegenüber dem Diplomstudium wurde der Anteil an sportpraktisch-methodischen Veranstaltungen massiv gekürzt, der sportwissenschaftliche Anteil moderat erhöht. Die Veranstaltungen für das wissenschaftliche Arbeiten wurden deutlich stärker gewichtet.
Dem Lizentiatsstudium "Sport und Sportwissenschaft" war nur eine kurze Lebensdauer gewährt. Mit der Unterzeichnung der "Bologna – Deklaration" wurden die Weichen Richtung Bachelor- und Masterstudiengänge gestellt und nur verhältnismässig wenige Studienabschlüsse konnten zwischen der Zeit der Diplomstudien und "Bologna" realisiert werden.