Integration von Menschen mit Migrationshintergrund in Sportvereinen

Leitung: Prof. Dr. Siegfried Nagel & PD Dr. Torsten Schlesinger
Mitarbeitende: M.Sc. Jenny Adler Zwahlen, M. A. Julia Albrecht
Finanzierung: Bundesamt für Sport (BASPO)
Laufzeit: 08.2015 – 07.2017

Ausgangslage und Ziel des Projekts

Ein Blick auf die Struktur von Mitgliedern und Aktiven in Schweizer Sportvereinen zeigt, dass Menschen mit Migrationshintergrund, insbesondere Jugendliche bzw. junge Erwachsene, deutlich weniger aktiv und repräsentiert sind, als es ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung eigentlich erwarten liesse (Fischer et al., 2010; Lamprecht et al., 2014). Dies lässt durchaus Zweifel am Integrationsanspruch des organisierten Sports aufkommen, obschon das im Jahr 2007 vom Bund verabschiedete Massnahmenpaket zur "Förderung der Integration von Ausländerinnen und Ausländern" die hohe Bedeutung des Sports als soziales Setting im Rahmen der Integrationspolitik unterstreicht (Bundesamt für Migration, 2008, 1-4). Die bestehende Unterrepräsentanz lässt sich aber nur bedingt mit dem Verweis auf fehlende Integrationsbereitschaft von Menschen mit Migrationshintergrund erklären. Auch Sportvereine selbst können bestimmte Barrieren aufweisen, die Menschen mit Migrationshintergrund an einer Teilhabe hindern.

Die geplante Studie verfolgt folgende Leitfragen:

  1. Welche Faktoren spielen für die dauerhafte Beteiligung/Bindung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit Migrationshintergrund am Vereinssport eine Rolle und inwiefern erfolgt über die rein formale Mitgliedschaft hinaus auch eine soziale Einbindung in den Verein?
  2. Wie gehen Sportvereine mit dem Thema Integration um und inwieweit begünstigen oder behindern bestimmte Strukturbedingungen von Sportvereinen Integrationsprozesse?

Theoretisch-methodisches Vorgehen

Um die Mechanismen gelingender Integration von Menschen mit Migrationshintergrund in den organisierten Sport analysieren zu können, sind einerseits die Strukturgegebenheiten von Sportvereinen, andererseits die sozialen Faktoren, die die individuelle Entscheidungsfindung bezüglich einer Vereinsmitgliedschaft beeinflussen, zu berücksichtigen. Im Rahmen der geplanten Studie wird zwischen folgenden Referenzebenen differenziert:

  1. Auf organisationaler Ebene sind jeweils die vereinsspezifischen Strukturbedingungen mit Blick auf deren Integrationsfähigkeit zu beleuchten.
  2. Auf interaktionaler Ebene sind vereinsspezifische Interaktionskontexte hinsichtlich sozialer Ausgrenzungspraktiken zu analysieren.
  3. Die Ebene Individuum berücksichtigt, dass die soziale Einbindung in den Vereinssport eine Konsequenz individuellen Wahlverhaltens sowie kultureller Selbstverortung darstellt.

Aufgrund der Komplexität des Forschungsgegenstandes sind sowohl quantitative als auch qualitative Analyseverfahren im Rahmen von Fallstudien (n = 36 Sportvereine) anzuwenden. In der quantitativen Teilstudie werden zunächst gemäss Mehrebenendesign sowohl vereinsspezifische Strukturdaten als auch Individualdaten von Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit Migrationshintergrund erhoben und miteinander in Beziehung gesetzt. In der qualitativen Teilstudie erfolgen in einigen wenigen Sportvereinen (n = 3 Sportvereine) über einen längeren Zeitraum von 8-10 Monaten vertiefende Analysen ausgewählter vereinsspezifischer Interaktionskontexte mit Blick auf soziale Grenzziehungspraktiken anhand leitfadengestützter Interviews und teilnehmender Beobachtungen.

Relevanz des Projekts

Das Forschungsprojekt fokussiert auf die bislang ungenügend erreichte Zielgruppe "Jugendliche und junge Erwachsene mit Migrationshintergrund" im Bereich der allgemeinen Sport- und Bewegungsförderung. Insbesondere können Sportvereine zur Erhöhung der sportlichen und körperlichen Aktivität aufgrund der gesundheitsförderlichen, erzieherischen und sozialen Funktionen von Sportaktivitäten einen Beitrag leisten. Zusätzlich können Sportvereine mit ihren sozialen und sportiven Gelegenheitsstrukturen in vielfältiger Hinsicht die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund in den Sport und darüber hinaus in die Gesellschaft fördern.

Auf Grundlage der Ergebnisse lassen sich mit Blick auf die interkulturelle Sportvereins-entwicklung Beratungsprogramme für Sportvereine im Umgang mit der Thematik "cultural diversity" zielgerichtet weiterentwickeln und so deren interkulturelle Kompetenzen stärken. Weiter tragen die Resultate zum Verständnis der entwicklungsfördernden und bildenden Effekte durch die aktive Mitgliedschaft im Sportverein im Jugend- und jungen Erwachsenenalter bei. Auch für den organisierten Sport selbst ist das Projekt von zentraler Bedeutung, insofern Sportvereine den eigenen Stellenwert im integrationspolitischen Diskurs untermauern sowie gegenwärtige bzw. künftige Herausforderungen (z.B. stagnierende/rückläufige Mitgliedschaftszahlen, Nachwuchsrekrutierung, Talentförderung) meistern müssen.

Literatur

Bundesamt für Migration. (2008). Umsetzung Massnahmenpaket Integration 2008. Bundesamt für Migration.

Fischer, A., Wild-Eck, S., Lamprecht, M., Stamm, H.-P., Schötzau, S., & Morais, J. (2010). Das Sportverhalten der Migrationsbevölkerung: Vertiefungsanalyse zu "Sport Kanton Zürich 2008" und "Sport Schweiz 2008". Kantonale Fachstelle für Integrationsfragen und Fachstelle Sport.

Lamprecht, M., Fischer, A., & Stamm, H.-P. (2014). Sport Schweiz 2014. Sportaktivität und Sportinteresse der Schweizer Bevölkerung. Bundesamt für Sport.