Interdisziplinäre Sportwissenschaft

Im universitären Fächerkanon definiert sich die Sportwissenschaft gerne über ihren interdisziplinären Zugang zu praxisrelevanten Problemen. Der hieraus erwachsenden Forderung, sich in der Interdisziplinaritätsdebatte zu positionieren, haben wir in verschiedenen Beiträgen entsprochen. In Anlehnung an Marr (1982) ist dabei unser Ausgangspunkt, wissenschaftliche Erklärungsebenen zu unterscheiden – die physikalische der Biomechanik, die implementationale der Sportbiologie und die funktionale der Sportmotorik (siehe Video) –, Interdisziplinarität aber nicht als «Ebenenvermischung» anzugehen, sondern als Berücksichtigung von auf anderen Ebenen etablierten Konzepten und Befunden als Randbedingungen für die eigene Theoriebildung (Hossner, 2005, 2008; für die Sportdidaktik: Hossner, 2015a). Die aus diesem Gedanken resultierende Forderung, dass sportwissenschaftliche (Teil-)Disziplinen zuallererst ihre Grundannahmen explizieren mögen, haben wir zusammen mit Schürmann (Köln) im Detail begründet (Schürmann & Hossner, 2012, mit Peer-Diskussion) und im Rahmen des Projekts «Reflexive Sportwissenschaft» (Alkemeyer et al., 2015–) für die Sportmotorik eingelöst (Hossner, 2015b) und jüngst auf die Abgrenzung von verhaltens- gegenüber kulturwissenschaftlichen Ansätzen zur sportlichen Bewegung erweitert (Hossner, 2024).

Ausgewählte Publikationen:

Hossner, E.-J. (2005). Horizontale und vertikale Vernetzung in der Sportmotorik. In H. Gabler, U. Göhner & F. Schiebl (Hrsg.), Zur Vernetzung von Forschung und Lehre in Biomechanik, Sportmotorik und Trainingswissenschaft (S. 53–62). Czwalina.

Hossner, E.-J. (2008). Tendenzen in der Motorikforschung und Ebenen der wissenschaftlichen Erklärung: Ein bewegungswissenschaftlicher Beitrag zur Standardisierungsdebatte. In E. Franke (Hrsg.), Erfahrungsbasierte Bildung im Spiegel der Standardisierungsdebatte (S. 145–162). Schneider.

Hossner, E.-J. (2015a). Motorikwissenschaft, Sportdidaktik und die Bewegung zum Selbst. In J. Bietz, R. Laging & M. Pott-Klindworth (Hrsg.), Didaktische Grundlagen des Lehrens und Lernens von Bewegungen – bewegungswissenschaftliche und sportpädagogische Bezüge (S. 65–82). Schneider.

Hossner, E.-J. (2015b). Sportmotorik: Präsuppositionen, Paradigmen, Perspektivierungen. In S. Körner & V. Schürmann (Hrsg.), Reflexive Sportwissenschaft. Konzepte und Fallanalysen (S. 99-113). Lehmanns Media.

Hossner, E.-J. (2024). Sportliche Bewegung zwischen Verhaltens- und Kulturwissenschaft: von Perspektivität, Vorannahmen, Randbedingungen und intertheoretischen Bändern. Sport und Gesellschaft, 21(2), 167-192. https://doi.org/10.1515/sug-2024-2012

Schürmann, V. & Hossner, E.-J. (2012). Interdisziplinäre Sportwissenschaft: Vom Umgang mit Perspektivität. Spectrum der Sportwissenschaften, 24(1), 41–52.

Literatur:

Alkemeyer, T., Bietz, J., Bockrath, F., Körner, S. & Schürmann, V. (Hrsg.) (2015–). Reihe «Reflexive Sportwissenschaft». Lehmanns Media. www.lehmanns.de/listing/4393-reflexive-sportwissenschaft

Marr, D. (1982). Vision. Freeman.