Differenzielles Lehren und Lernen

In einem abgeschlossenen Projekt setzten wir uns kritisch mit dem von Schöllhorn (1999) vorgeschlagenen Ansatz des Differenziellen Lernens (DL) auseinander, nach dem Bewegungslernen sehr variabel – im Bestfall ohne jedwede Wiederholung – und ohne technikbezogene Rückmeldungen gestaltet werden sollte (siehe Video). In einem konzeptbezogenen Beitrag (Künzell & Hossner, 2012, 2013) zeigen wir hierzu auf, dass die behaupteten Praxiskonsequenzen weder theoretisch noch empirisch fundiert sind, die Abgrenzung zu konkurrierenden Lerntheorien lücken- und fehlerhaft ausfällt und der Ansatz auch aus Praxissicht nicht trägt. Zudem erbrachten wir den experimentellen Nachweis, dass Interventionen, in denen – im diametralen Widerspruch zu den Grundannahmen des DL-Ansatzes – Lösungsvarianten strukturiert dargeboten und Bewegungsausführungen korrigiert werden, entsprechenden DL-Interventionen überlegen sind (Hossner et al., 2016a,b; für eine unabhängige metaanalytische Bestätigung siehe Tassignon et al., 2021). Bewegungslernen im Sport sollte daher in einer Weise fundiert werden, die der aktuellen motorikwissenschaftlichen Theoriediskussion entspricht (siehe z.B. Hossner et al., 2020).

Ausgewählte Publikationen:

Hossner, E.-J., Käch, B. & Enz, J. (2016a). On the optimal degree of fluctuations in practice for motor learning. Human Movement Science, 47, 231–239. https://doi.org/10.1016/j.humov.2015.06.007

Hossner, E.-J., Käch, B. & Enz, J. (2016b). On experimental designs, differencial learning, theoretical issues, dynamical systems, and the capability to adapt: Response to Schöllhorn. Human Movement Science, 47, 246–249. https://doi.org/10.1016/j.humov.2015.11.019

Hossner, E.-J., Kredel, R. & Franklin, D. W. (2020). Practice. In D. Hackfort & R. J. Schinke (Eds.), The Routledge international encyclopedia of sport and exercise psychology (pp. 532–554). Routledge.

Künzell, S. & Hossner, E.-J. (2012). Differenzielles Lehren und Lernen: Eine Kritik. Sportwissenschaft, 42(2), 83–95. https://doi.org/10.1007/s12662-012-0251-y

Künzell, S. & Hossner, E.-J. (2013). Differenzielles Lehren und Lernen: Eine Erwiderung. Sportwissenschaft, 43(1), 61–62. https://doi.org/10.1007/s12662-013-0287-7

Literatur:

Schöllhorn, W. I. (1999). Individualität – ein vernachlässigter Parameter? Leistungssport, 29(2), 5–12.

Tassignon, B., Verschueren, J., Baeyens, J.-P., Benjaminse, A., Gokeler, A., Serrien, B. & Clijsen, R. (2021) An exploratory meta-analytic review on the empirical evidence of differential learning as an enhanced motor learning method. Frontiers in Psychology, 12:533033. https://doi.org/10.3389/fpsyg.2021.533033